Wieso muss ein CEO nicht auf Social Media aktiv sein?
Derzeit versuchen immer mehr CEOs von namhaften Unternehmen, sich eine möglichst große Community auf den verschiedensten Social-Media-Plattformen aufzubauen, um so ihrem Arbeitgeber ein Gesicht zu geben. Dadurch soll außerdem die Haltung des Corporates zu gewissen Themen deutlich werden und der Geschäftsführer nahbarer und weniger anonym wirken. Warum das zur echten Zerreißprobe für die Unternehmensleiter werden kann und weshalb Marie-Christine Schindler, Co-Autorin von „PR imSocial Web“, nur den wenigsten CEOs zu einer solchen Präsenz raten würde, hat sie uns in einem exklusiven Interview verraten.
Was hältst du von der Social-Media-Präsenz von CEOs oder Gründern?
Ich stehe diesem Trend eher kritisch gegenüber, da die Erwartungshaltung an die CEOs meist viel zu hoch ist. In solchen Positionen ist ein Arbeitstag eng getaktet, da bleibt kaum noch Zeit, sich ausführlich mit Social Media zu beschäftigen.
Denn einen Post zu veröffentlichen, kostet meist wenig Zeit, doch damit ist noch keine erfolgreiche Social-Media-Präsenz geschaffen. Dafür müssen Kommentare gelesen und beantwortet werden. Auch die Interaktion mit den Inhalten anderer Profile ist essenziell. Ein erheblicher Workload also, den CEOs/Gründern neben ihrer Arbeit kaum bewältigen können. Da wäre es besser, Unternehmen würden grundsätzlich Haltung beziehen. Deshalb würde ich eine umfangreiche Social-Media-Präsenz eines CEOs nie zur Pflicht machen.
Gerade weil viele Unternehmensleiter keine Zeit für solche Aktivitäten haben, wird die Bespielung des Accounts häufig durch eine Kommunikationsabteilung oder eine externe Agentur erledigt. Davon halte ich jedoch gar nichts. Denn viele Unternehmen möchten Werte wie Transparenz und Ehrlichkeit vertreten, womit dieses Vorgehen nicht einhergeht. Daher gilt für mich: Entweder stammen die Posts direkt von der Person selbst und sind authentisch oder die Social-Media-Präsenz des CEOs fällt deutlich geringer aus. Denn nur wer für diese Plattformen affin ist und weiß, worauf es ankommt, kann die Follower wirklich abholen und mit seiner Botschaften erreichen.
Würdest du für Start-ups und kleine Unternehmen das Gleiche empfehlen?
Nein, denn hier geht es noch darum, die Reputation des Unternehmens aufzubauen. Dafür braucht man unter anderem auch den CEO, um der Marke ein Gesicht zu geben und Persönlichkeit zu verleihen. So kann dieser zusätzlich persönlich mit Usern in Kontakt treten, sich austauschen und wertvolles Feedback sammeln. Dennoch bestehen hier die gleichen Herausforderungen: Die Kommunikation muss konsistent, authentisch und ehrlich sein. Auch in Start-ups müssen die Unternehmensleiter zunächst die Zeit finden, auf den verschiedenen Plattformen ausreichend aktiv zu sein.
Außerdem ist Social Media eine extrem schnelllebige Welt. Posts von vor ein paar Tagen sind kaum mehr auffindbar. Deshalb ist ein durchdachter Online-Auftritt, im Rahmen dessen die Produkte präsentiert werden, das Unternehmen Haltung bezieht und tiefere Insights bereitstellt, sehr viel nachhaltiger. Soziale Medien sollten dabei eher ergänzend genutzt werden.
Welche Alternativen bestehen, wenn sich ein CEO nicht wohl fühlt im Social Web?
Solche Unternehmensleiter sprechen häufig lieber mit Journalisten, da sie so mehr Raum haben, Themen ausführen möchten und Hintergrundinformationen preisgeben können. Dies könnte statt eines Interviews auch in Form eines Gastbeitrags in einem Magazin oder Blog stattfinden. Auch Gespräche in Podcasts sind ein tolles Instrument der Öffentlichkeitsarbeit. Zudem können CEOs in die Kooperationen mit Influencern eingebaut und durch diese auf Social Media präsent werden.
Soll dennoch eine aktive Social-Media-Präsenz für einen Unternehmensleiter erstellt werden, kann beispielsweise eine Agentur oder eine Kommunikationsabteilung dessen Aussagen auf den Plattformen verwerten. So können Reden, Zitate, Auftritte und vieles mehr dieser Personen festgehalten und präsentiert werden. Dann sind CEOs zwar auch nicht selbst im Social Web unterwegs, aber sie werden über die veröffentlichten Inhalte sichtbar und rücken ins Bewusstsein der Social-Media-Nutzer.
Ein gutes Beispiel dafür, wie glaubwürdige und erfolgreiche Kommunikation auf höchstem Level geht, ist Gary Vaynerchuk. Sein Profil wird vollständig von einem Social-Media-Team betreut, das ihn auf den verschiedensten Events und Meetings begleitet. Dabei fangen Teammitglieder gute Zitate ein, machen Bilder und Videos und verwenden diese anschließend für Posts im Social Web. In diesem Beispiel hat man es also geschafft, die Social-Media-Expertise des Teams mit der fachlichen Expertise von Gary Vaynerchuk perfekt zu kombinieren und daraus eine erfolgreiche Social-Media-Präsenz zu kreieren.
Diese Vorgehensweise eignet sich vor allem dann sehr gut, wenn Unternehmensleiter die Posts zunächst selbst übernommen, sich eine gute Community aufgebaut, aber im Laufe der Zeit keine Kapazitäten mehr haben, ihre Social-Media-Präsenz selber zu pflegen.
Marie-Christine Schindler
Senior Consultant mcschindler.com GmbH
Die Gründerin und Inhaberin der Agentur mcschindler.com in Zürich berät Unternehmen und Organisationen zu Online-PR und strategischer Kommunikation. Sie ist Blogautorin, Fachhochschul-Dozentin und Co-Autorin des Bestellers "PR im Social Web". Seit einigen Jahren erforscht und entwickelt Sie das Thema Newsroom.